Wenn der Muezzin ruft, ist die Nacht vorbei.

Die Schlafzimmer im Riad sind dunkel und funktionell. Tageslicht gibt es nur durch die Tür zum Innenhof und durch kleine bunt verglaste Fenster. Das Bad ist nur durch einen Vorhang abgetrennt, was eine gewisse Toleranz verlangt – oder der andere geht halt schon mal frühstücken. Spätestens wenn die Muezzins zu ihrem Allahuakbar ansetzen ist man wieder im Leben. In Marrakesch setzen die Muezzin der verschiedenen Moscheen kurz nacheinander ein, sodass die Wirkung sehr mächtig ist. Sie arbeiten mit Tonanlagen zur Verstärkung, aber sie rufen noch persönlich, also noch keine Stimme vom Band.

Das Riad Johenna ist eine sehr gute Empfehlung, von Hans sehr liebevoll und mit viel Geschmack hergerichtet. Sie präsentieren sich viel besser als wir das beschreiben können auf ihrer eigenen Seite.

Warum Ihr unbedingt ein Riad mit Dachterrasse braucht…

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Uli Im Riad

 

Erstens: Ausblick.
über die herrliche Altstadt

Zweitens: Stimmung
Frühstück am Morgen, Chillout am Abend

Drittens: Leben
man lernt etwas über Land und Leute.

 

Ein erster Blick über Marrakesch zeigt die Lehmziegelbauten der Medina in unterschiedlichen Brauntönen, den Blick auf eine Moschee und ein Meer von Satellitenschüsseln. Sozusagen der erste Eindruck. Wo stehen die Moscheen? Wie groß ist die Medina? Wie ist das Gefühl für die Stadt? Es ist angenehm warm, so etwas über 20 Grad.

Im Riad unter uns stehen Frauen und rauchen bei einem Kaffee. Man sollte dazu wissen, dass marokkanische Frauen in der Öffentlichkeit nicht rauchen dürfen, also findet das hier statt. Unter sich. Die Dachterrasse als Ersatzwelt. Anschließend wird gewaschen. Dazu wurde eine kleine Waschmaschine auf die Dachterrasse gestellt und bestückt.. Unzählige Eimer und Schüsseln dienen dennoch zur Vor- und Nachbehandlung der Wäsche.

Zu Dagmars Leidwesen frühstückt man hier süß. Aprikosen- und Dattelmarmelade, dazu Fladenbrot und marokkanische Pfannkuchen und meistens noch eine süße Schnecke. Aber es gibt nicht nur würzigen Kaffee sondern – ein echtes Highlight überall – frisch gepressten Orangensaft.

 

 

Die Sache mit den Faux Guides…

Es gibt sie. Man erkennt sie nicht sofort. Sie kommen nett daher.
Sie sind keine offiziellen Führer. Alle warnen davor, dass sie dich abzocken.

Frisch gestärkt machen wir uns auf den Weg in die Medina. Gleich in der ersten belebten Straße bewundern wir die Arbeit der Handwerker, die gerade eine neues Geschäft renovieren und schöne Stuckdecken herrichten. Und schon passiert es. Wir kommen ins Gespräch. Der Mann erzählt uns etwas vom Berbermarkt, dass wohl heute der letzte Tag wäre, an dem der stattfindet- wo?- im Gerberviertel, dass wir dort unbedingt hinmüssten und zeigt auf einen vorbeilaufenden Marokkaner, den er kennt und der dort zufällig gerade hinläuft. Das sei kein Guide, aber wenn wir dem folgen, kämen wir problemlos dorthin. Natürlich war der Mann trotz aller Beteuerungen ein faux guide. Er liefert uns direkt im Gerberviertel ab.

Am Eingang werden wir von einem netten Marokkaner begrüßt. Er drückt uns jedem einen Strauß Minze in die Hand, denn plötzlich stinkt es wie die Pest. Das Riechen an der Minze hilft kolossal. Er führt uns durch die Anlage mit vielen Bottichen, die Laugen und Gerbstoffe enthalten und erklärt uns auf französisch den Arbeitsprozess. Wer schon mal „Das Parfüm“ gelesen hat, der weiß: Hier wird gegerbt wie zu Grenouilles Zeiten. Bettelarme Menschen mit nur noch wenig Zähnen grinsen uns freundlich an, während sie mit verfärbten Fingern Felle in  ätzende Laugen stecken, in denen sie selbst bis zu den Waden stehen. Als ich einen von ihnen fotografiere, springt er sofort aus seinem Loch und will Geld. Das ist etwas, was wir schnell lernen. Leute lassen sich ungern fotografieren oder sie wollen dafür Geld. Die meisten unserer Fotos, mit denen wir das tägliche Leben einfangen entstehen daher, indem ich aus der Hüfte fotografiere und dabei möglichst teilnahmslos woanders hinschaue.

Klar, dass unser Führer uns anschließend direkt in ein feines Lederwarengeschäft führt, das wahrscheinlich seinem Schwager gehört. Wir lehnen dankend ab und müssen schon sehr hartnäckig sein, um da wieder raus zu kommen. Diese erste Erfahrung kostete uns gleich mal 65 Dh, 30 für den faux guide, 30 für den Führer durch die Gerberei und noch mal 5 für das Foto. Der LP warnt ja genau vor diesen Tricks, aber wir denken, man sollte sich ruhig ein bisschen auf die Leute einlassen. Sie waren alle super nett, die Gerberei hätten wir wahrscheinlich so nie gefunden, wir haben uns eben ein wenig verarschen lassen und das Ganze hat uns 7 € gekostet. So what?

Saubere Toiletten mitten in Marrakesch?

Wir haben uns für den Rückweg ein paar markante Punkte gemerkt. Jetzt lassen wir uns Zeit und einfach treiben. Wir beobachten Esel, die die Tierhäute transportieren und sehen Werkstätten, in denen diese weiterverarbeitet werden. Wir sind in der Nähe der Moschee Ben Saleh. Jeder kennt ja dieses Gefühl, wenn plötzlich die Blase drückt, sich schlagartig ein  Hungergefühl einstellt und die Temperatur sich dazu noch Richtung unangenehm bewegt. Dann möchte man schnell Schatten, Essen und eine saubere Toilette. Und siehe da, wir finden alles gleich um die Ecke. Als erstes eine öffentliche Toilette. Stehklos nach französischer Manier, aber gepflegt und super sauber. Warum erwähne ich das? Weil wir das überhaupt nicht erwartet haben und es ein Vorbild für so manche europäische Metropole sein könnte. Der Toilettenmann nimmt einen Dh und gibt mir 9 Dh Wechselgeld zurück, wieder habe ich ein wenig Kleingeld. Als Nächstes Essen. An einem Straßenstand mit zwei Tischen gibt es würzige Crepes und einen frisch gepressten Orangensaft, superlecker und Schatten haben wir auch noch. In dieser Gegend ist es etwas weniger touristisch und wir genießen es, das Treiben der Menschen zu beobachten.

 

 

Ein paar Regeln für die Souks.

Erstens: Verlaufen ist fast nicht zu vermeiden. Der Wegweiser „Djemaa el Fna“ hilft meistens weiter. Irgendwann kommt ihr wieder raus.

Zweitens: Wenn ihr euch in einem Geschäft auf den üblichen Pfefferminztee einlasst, müsst ihr wissen, dass dies das Vorspiel für den Verkauf ist. Ab hier wird es immer schwieriger, wenn ihr nichts kaufen wollt.

Drittens: Wenn Ihr nach dem Preis fragt, heißt das, ihr habt Kaufinteresse. Jetzt heißt es nicht mehr Kaufen oder Nichtkaufen, sondern nur noch für wie viel kaufen. Wenn ihr jetzt dennoch nicht kauft, sind die Händler beleidigt.

Weiter geht es also in die Souks. Wir haben keinen genauen Plan und lassen uns treiben. Wir wollen das Einkaufen eher ans Ende der Reise verschieben. Das eigentlich Schwierige für uns ist, dass „nur Gucken“ kaum geht ohne sich in ein Gespräch mit dem Händler verwickeln zu lassen, aus dem man dann nur schwer wieder heraus kommt.

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Marrakesch Hemdkauf

An einem chicen marokkanischen weißen Hemd komme ich dann in den Textil-Souks dennoch nicht vorbei. Nachmittags landen wir am Rahbah Kedima, einem Platz, an dem früher der Sklavenhandel stattfand und der heute fest in der Hand von Gewürzhändlern und sog. Apothekern ist. Nach Kauf von Amber und Sandelholz als „Natur-Parfüm“ trinken wir auf der Dachterrasse der Snack-Bar Minztee. Der Kellner zelebriert den Tee wie es nur Marokkaner können – mit einem hohen Bogen in kleine Tassen. Dazu essen wir schwarze Oliven und gegrillte Auberginen – ein perfekter nachmittäglicher Chillout.

Mit schönem Blick auf das Markttreiben und auf den Souk Principal de Tapis, der mit einer fantastischen Impression seiner Teppiche aufwartet, sie liegen auf den Dächern und hängen an Brüstungen und Wänden, man kommt fast nicht daran vorbei. Wir lassen uns weiter treiben und orientieren uns gelegentlich an Schildern Richtung Djemaa el Fna und tatsächlich erreichen wir irgendwann den um diese Zeit noch sehr ruhigen Platz. Ein schattiger Platz im Cafe de France bietet uns die Möglichkeit, zuzusehen, wie sich der Platz langsam füllt. Ein paar Akrobaten führen Saltos vor und wieder sind wir ein paar Dirham los.

 

 

Der nächtliche Djemaa el Fna, ein absolutes Muss..

 

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Uli Im Riad Johenna Marrakesch

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Dagmar Im Riad Johenna Marrakesch

Nach einer Siesta im Riad wollen wir es dann wissen. Das Abendprogramm heißt Djemaa el Fna. Die Kamera muss natürlich mit und so sieht man uns den Touri schon von weitem an. People-Fotografie kostet Geld. Einer der Musiker stürzt sofort auf mich zu, sobald ich auch nur die Kamera hebe. Dennoch gelingen ein paar schöne Fotos auch aus der Entfernung. Hier gibt es alles, Schlangenbeschwörer, die Kobras tanzen lassen, Gibbonäffchen, die Saltos können, nicht zu vergessen, die vielen Henna-Malerinnen, Händler, die marokkanische Lampen verkaufen oder Süßigkeiten oder Obst oder.. oder…, dazwischen immer wieder Bettler. Es gibt geniale Datteln, die besten salzigen Mandeln der Welt und Stand an Stand mit frisch gepresstem Orangensaft.

Jeder Stand ist der beste…

Und dann das, was wir bei uns Fressgasse nennen würden, nur dass es sich hier um ein Labyrinth aus 100 Ständen handelt.

Und Eines müsst ihr wissen:

Jeder will dich in sein „Freiluftlokal“ locken. Dafür gibt es die „Fänger“. Wenn dich das prinzipiell nervt, ist dieses Abendprogramm nichts für dich.

Also beginnt ein lustiges Gefeilsche, bei dem wir am Ende viele Visitenkarten mit Standnummern haben. Unsere Strategie: Wir sagten dem Fänger, schau, dasselbe hat uns der von Stand Nr. xy auch schon gesagt und zeigten ihm die Visitenkarte, die wir vorher mitgenommen hatten. Warum seid ihr die besten? …So bekamen wir eine lustige Geschichte nach der anderen aufgetischt. Also, wenn man es locker sieht, macht es Freude.

Wir entschließen uns, bei Stand Nr. 55 zu essen, lt. LP angeblich ein Muss. Ob der besser ist als andere wissen wir nicht, Hauptsache es war gut. Und das war es. Alles frische Zutaten. Salat Berbere, eine Tajine au Poulet mit Couscous, Brochettes , wir genießen das Essen und beobachten amüsiert die Geschicklichkeit der Fänger. Den Minztee am Schluss gibt es gratis und dazu sollte es noch was Süßes sein. Wie auf Bestellung schob jemand einen  Gebäckwagen durch die Gasse und für umgerechnet 3€ gab es die leckersten Teilchen, so viele, dass sie uns noch die nächsten Tage auf unserer Fahrt begleiteten.

 

Mit ein paar Fotos von der Dachterrasse des Cafe de France verabschiedeten wir uns von diesem Tag, diesem Cocktail für die Sinne. Wahrscheinlich ist es gut, dass wir morgen die Stadt verlassen, um alles erstmal ein wenig zu verarbeiten.