Albanien – im Theti Nationalpark

Es ist Anfang September – eine schöne Reisezeit für dieses Land. Schönstes T-Shirt Wetter. Es ist bereits Mittag und wir wollen noch nach Theth. Also zuerst Geld besorgen. Wir brauchen Lek und die bekommen wir in Koplik, wo es diverse Geldautomaten gibt und nacheinem Espresso brechen wir auf Richtung Osten.

Es gibt keinerlei Hinweisschilder und trotz einigermaßen guter Karte sind wir schnell falsch abgebogen und landen in einer Sackgasse auf einem Bauernhof. Erste Änderung: Wir stellen unser Navi auf Kompass-Navigation. In Zusammenarbeit mit der Karte funktioniert das ziemlich gut.

Die Strecke bis zum Terthorës Pass hinter Bogë ist sehr neu ausgebaut teilweise sogar mit Leitplanken. Bis zum Pass kommt es uns vor wie auf einer Nebenstraße im Schwarzwald – alles problemlos. Menschen sehen wir kaum. Wir sind jetzt 1630m hoch.

Thertorës Pass Blick Richtung Bogë

Thertorës Pass Blick zurück

Thertorës Pass Blick Richtung Theth

Thertorës Pass Blick voraus

Das Offroad-Abenteuer beginnt

 

 

Ab hier ist alles nur noch Schotterpiste. Im Nachhinein stellt sich die Strecke bis Theth aber als wenig problematisch heraus. Zurzeit ist alles trocken, einigen Schlaglöchern können wir ausweichen. Das große Fragezeichen ist immer der Gegenverkehr. Die Pisten sind von wenigen Stellen abgesehen nie so breit, dass zwei Fahrzeuge aneinander vorbeikommen. Folglich gibt es alle paar hundert Meter Einbuchtungen zum Ausweichen. Nach der ersten Begegnung mit einem entgegenkommenden Landy an einer Gott sei Dank unproblematischen Stelle fangen wir an, uns die Einbuchtungen zu merken, damit wir wissen , bis wohin wir ggf. zurückfahren müssen. Mitunter haben wir Passagen mit steiler Felswand links und ziemlich senkrechtem Abgrund rechts. Da gilt es, den Überblick zu behalten. Man sollte auch mit relativ großen Fahrzeugen auf dieser Strecke rechnen, denn Albaner nutzen hier häufig Minibusse, die meist auch noch grenzenlos überladen sind.

Wenn dir ein Mercedes mit deutscher Firmenbeschriftung entgegenkommt, so sind das, wie wir erst glaubten, keine Deutschen, sondern Albaner. Albaner lieben Mercedes, kaufen diese gebraucht in Deutschland und fahren sie unverändert bis zum Ende. So einer nutzte dann gleich das Vorbeimanövrieren zu einem kleinen Plausch. Eine Unterhaltung bedeutet in Albanien eine Mischung aus Albanisch manchmal mit wenigen Brocken Englisch gepaart mit lebhaftem Gestikulieren, Bild-, Zeichen- und Körpersprache. Mit anderen Worten, man probiert alles, was einem einfällt – und irgendwie funktioniert es.

So kamen wir zu dem Tipp vom tollen Guesthouse mit Restaurant und super Campingplatz, welches offensichtlich der Schwager eines der Insassen des Mercedes betreibt. Mit entsprechender Wegbeschreibung.

 

Albanien Theth Wegweiser Guesthouse Villi

 

Camping – Albanian Style

Wir folgen dem Tipp. Wenig später kommt sogar eine vielversprechende Beschreibung am Wegesrand. Es ist alles dabei, Bar, Restaurant, Zimmer und ein Campingplatz. Diese Form von Werbung sind dann auch wohl die einzigen Orientierungspunkte.

Was finden wir tatsächlich vor:

ein recht gut renoviertes Gebäude mit schönem Garten und grandioser Aussicht. Wir fragen nach dem Campingplatz. Und lernen wieder was dazu. Die Besitzer winken nach ihren Kindern. Zwei geschäftstüchtige 10-12-Jährige sprechen nun mit uns in sehr gutem Englisch. Camping – kein Problem. Natürlich gibt es einen Campingplatz, völlig kostenlos. Sie bitten uns, ihnen zu folgen. Eine abschüssige Piste führt uns auf eine Wiese. Voila, der Campingplatz – eine Wiese – that´s it. Ein Lächeln huscht uns über die Lippen. Schließlich sind wir autark. Wir akzeptieren und richten uns ein. 15 Minuten später wollen wir im Guesthouse zu Abend essen.

 

Landrover Discovery vor Guesthouse Villi Theth Albanien

 

Guesthouse Villi in Theth

Das Guesthouse Villi hat 5 Zimmer, 2 Badezimmer und eine Gaststube und …..ist ausgebucht. Die Gäste: 2 Biker aus Freiburg und aus Österreich und eine Wandergruppe um die sich Jimmy kümmert. Zu Jimmy kommen wir später. Die Biker kamen aus der anderen Richtung von Shkodër, wohin wir ja am nächsten Tag wollten und meinten, dagegen sei unsere heutige Offroadstrecke eine Autobahn. Also wissen wir schon mal, dass es auf der Strecke noch Steigerungen gibt.

Später unterhalten wir uns dann ausführlich mit Jimmy Guri. Er ist nach einem Studium in den USA wieder daheim und hilft mit allen Kräften beim Aufbau eines naturverträglichen Tourismus. Die Wandergruppe, die er führt, macht eine mehrtägige Trekkingtour auf die bequeme Art. Sie genießen die Landschaft mit Tagesrucksäcken, während morgens sehr früh bereits eine kleine Maultierkarawane aufbricht, um das Gepäck zu transportieren. So profitieren dann mehrere Guesthouses von der Tour.

 

Albanien Theth Guesthouse Villi

 

Theth – der Mittelpunkt des Theti Nationalparks

Ein Dorf der Gegensätze. Vieles erscheint verfallen, vieles ist inzwischen geschmackvoll wieder aufgebaut. Man muss dazu wissen, dass die Ursache für die vielen Ruinen Erdbeben waren, die die ohnehin schon arme Gegend mächtig zurückgeworfen haben. Im Winter ist dieses Tal manchmal monatelang von der Außenwelt abgeschnitten.

Erwähnenswert in Theth ist die Villa Gjecaj, ein Ort der Gastlichkeit mit Flair. Erwähnenswert aber nicht nur deshalb, sondern für uns wichtig, eine stabile free wifi zone, sodass wir uns dort längere Zeit beim Milchkaffee aufhielten. Außer den Hausgästen, wussten dies wohl auch viele Wanderer zu schätzen.

 

Albanien Theti Nationalpark

 

Sehenswürdigkeiten in Theth

Neben den vielen Möglichkeiten zum Wandern – Hinweise auf den Peaks of the Balkan Trail findet man auch hier – gibt es natürlich auch einige Sehenswürdigkeiten in Theth.

Tower of Isolation in Theth

Auch Blutturm genannt. Hier suchten früher Männer Schutz, die von der Blutrache betroffen waren. Sie mussten oft monatelang hier verharren, bis durch Verhandlungen ein Versöhnungsabkommen zwischen den betroffenen Familien zustande gekommen war. Für einen 1€ Eintritt bekommt man eine kurze Führung.

Wissenswertes:

In Albanien gilt noch das “Recht der Berge” und die Regeln des Kanun, das albanische Gewohnheitsrecht.Jeder ist an das sogenannte besa (Ehrenwort, Eid) sein Leben lang gebunden. Die Familie eines Eidbrechers kann bis in die siebte Generation hinein geächtet werden. Frauen können beispielsweise den Eid des Jungfrauendaseins ablegen. Gegen Gewährung aller Rechte der Männer müssen sie auf sexuelle Kontakte verzichten und dürfen nie heiraten. Es soll nach Schätzungen noch etwa 40 Frauen geben, die so leben.

 

Albanien Theti NationalparkTheth Tower of isolation

 

Blue Eye of Theth

Unbedingt sehenswert ist das Blue Eye, ein blaugrün leuchtender Riesengumpen ein Stückweit in den Bergen. Kaltes kristallklares Wasser lädt wohl nur an den ganz heißen Tagen zum Abkühlen ein. Man kommt dorthin nur zu Fuß. Touristisch wird das Blue Eye wohl Theth zugerechnet, vermutlich weil man es von dort als Tageswanderung organisiert.

Das Blue Eye liegt an der Strecke nach Shkodër, wo wir eh lang müssen. Man fährt bis Ndërlysa, einem von nur noch wenigen Familien bewohnten Dorf. Ist in unserer Karte eingezeichnet und wir finden das problemlos. Hier kann man den Wagen bei den verlassenen Ruinen der Schule abstellen und von dort aus loslaufen, indem man den Zeichen der Einheimischen folgt.

Die Wanderung zum Blue Eye dauert 40 Minuten, entlang schmaler Pfade, ausgesetzter Tritte und über Holzleitern. Wiederum sind es geschäftstüchtige Kinder, diesmal zwei junge Mädchen, die den Besuchern kühle Getränke anbieten. Jetzt im September ist auch die Zahl der Besucher erträglich, also eine ganz gute Zeit. Die kurze Strapaze lohnt sich. Die Belohnung ist ein wirklich sehenswerter, idyllischer Platz zum etwas längeren Verweilen.

 

Albanien Theti Nationalpark Blue eye

 

 

Das Wetter schlägt um. Wir schaffen den Rückweg gerade noch so, bevor ein heftiges Gewitter losbricht. Es ist nachmittags fünf Uhr. Wir wissen noch nicht, wo wir heute Abend schlafen. Die nächsten Stunden werden noch ein echtes Abenteuer. Aber davon berichten wir im nächsten Artikel.

Lebe dein Abenteuer nach deinem Geschmack!

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